Ausstellungen 2023

Hauptausstellung

Follow the Rabbit – Bestandsaufnahme einer Sammlung und ihre Rezeption durch chinesische Gegenwartskunst

So 30.4.–So 29.10.2023 

In der von Alexandra Grimmer kuratierten Hauptausstellung 2023 "Follow the Rabbit" zeigt sich die Sammlung Liaunig von einer neuen Seite, indem sie dem Fernen Osten die Tür öffnet und sich in einer Gegenüberstellung mit zeitgenössischer chinesischer Kunst präsentiert. Das Jahr des Hasen – nach dem chinesischen Mondkalender – soll die Besucher zu einer Reise einladen, in der sie in zitathafter Ähnlichkeit mit Lewis Carrolls Erzählung "Alice’s Adventures in Wonderland" dem Hasen in seinen Bau folgen, um sich dort auf eine neue Welt einzulassen.

Gezeigt werden Arbeiten der folgenden Künstlerinnen und Künstler:

Marc Adrian, Siegfried Anzinger, Claus Mayrhofer Barabbas, Alfredo Barsuglia, Wolfgang Becksteiner, Birdhead 鸟头 (Song Tao und Ji Weiyu), Herbert Brandl, Cai Dongdong 蔡东东, Friedrich Cerha, Chen Shuo 陈硕, Chen Yujun 陈彧君, Cui Guotai 崔国泰, Gunter Damisch, Dong Wensheng 董文胜, Peter Dörflinger, Loys Egg, Wolfgang Ernst, Judith Fegerl, Johann Feilacher, Feng Lianghong 冯良鸿, Tone Fink, Frederik Foert,
Adolf Frohner, Clemens Fürtler, Bruno Gironcoli, Franz Graf, Guan Yinfu 关音夫, Alfred Haberpointner, Ilse Haider, Fritz Hartlauer, Uwe Hauenfels, He Wei 何伟, Wolfgang Herzig, Huang Min 黄敏, Othmar Jaindl, Franco Kappl, Alfred Klinkan, Edgar Knoop, Kurt Kocherscheidt, Kiki Kogelnik, Peter Kogler, Cornelius Kolig, Peter Krawagna, Suse Krawagna, Maria Lassnig, Franz Lerch, Li Hui 李晖, Li Qing 李青, Liang Yue 梁玥, Christoph Luger, Markus Lüpertz, Ma Jia 马佳, Ma Jun 马军, János Megyik, Alois Mosbacher, Gerhardt Moswitzer, Osamu Nakajima, Hermann Nitsch, Markus Oehlen,
Franz Xaver Ölzant, Max Peintner, Helga Philipp, Franz Pichler, Rudolf Polanszky, Peter Pongratz, Drago j. Prelog, Norbert Pümpel, Arnulf Rainer, Bianca Regl, Robert Schaberl, Hubert Scheibl, Roman Scheidl, Meina Schellander, Alfons Schilling, Hubert Schmalix, Martin Schnur, Christian Schwarzwald, Fabian Seiz, Zbyněk Sekal, Shi Jiongwen 史泂文,
Rudi Stanzel, Josef Sulek, Sun Xun 孙逊, Helmut Swoboda, Robert Tauber, Jorrit Tornquist, Walter Vopava, Manfred Wakolbinger, Wang Lei 王垒, Wang Yifan 王一凡, Walter Weer, Alfred Wickenburg, Erwin Wurm, Xie Molin 谢墨凛, Xu Hongxiang 许宏, Xu Jingyu 许静宇, Yang Gang 杨罡, Yang Hongwei 杨宏伟, Robert Zeppel-Sperl, Zhai Liang 翟倞, Zhang Enli 张恩利, Zhang Wuyun 张武运, Zong Ning 宗宁



Sonderausstellung

Alte Freunde: Franz Ringel

So 30.7.–So 29.10.2023 

Die 2016 begonnene Serie „Alte Freunde“ wird von 30. Juli bis 29. Oktober 2023 mit dem steirischen Maler und Grafiker Franz Ringel (1940–2011) fortgesetzt. Die Ausstellungsreihe ist Künstlerinnen und Künstlern gewidmet, die mit Herbert Liaunig seit den 1960er-Jahren freundschaftlich verbunden sind bzw. waren. Die zu dieser Zeit entstandenen langjährigen Freundschaften zwischen Sammler und Künstlern markieren die Anfänge und bilden die Basis der Sammlung Liaunig.

Am 1. April 1940 als Sohn einer Wäscherin und eines Rossknechts geboren, kam Franz Ringel mit sechs Jahren zu Zieheltern, die sein Interesse für Literatur weckten und sein künstlerisches Talent förderten. Von 1955 bis 1959 besuchte er die Keramikklasse von Hans Adametz auf der Kunstgewerbeschule in Graz. In Wien begann er sein Studium bei Hans Knesl an der Hochschule für angewandte Kunst, wechselte aber 1960 in die Klasse von Albert Paris Gütersloh an der Akademie der bildenden Künste.

1968 zeigt Otto Breicha Franz Ringels Bilder in der Ausstellung „Wirklichkeiten“ in der Wiener Secession gemeinsam mit Werken von Martha Jungwirth, Wolfgang Herzig, Peter Pongratz, Kurt Kocherscheidt und Robert Zeppel-Sperl und begründet so die lose, nach dem Ausstellungstitel benannte Künstler-Gruppierung, mit der Ringel bis heute verbunden wird. Die sechs Einzelgänger-Positionen stellten einen Gegensatz zu den zu dieser Zeit dominierenden abstrakten Malern rund um die Galerie St. Stephan und den Vertretern der Wiener Schule des Phantastischen  Realismus dar.

1972/1973 hielt sich Ringel auf Einladung von Jean Dubuffet in Paris auf. Seine „Collection de l'Art Brut“ prägte ihn ebenso nachhaltig wie die Werke der CoBrA-Gruppe und die Gugginger Künstler rund um Leo Navratil.

In der von Peter Liaunig zusammengestellten retrospektiv angelegten Personale werden neben Werken aus der Sammlung Liaunig Arbeiten von zwei privaten Leihgebern gezeigt, die einen repräsentativen Einblick in die zentralen Schaffensphasen des Künstlers geben: Beginnend mit Ringels Kasperl-Figuren aus den 1960er-Jahren (inspiriert von Konrad Bayers Theaterstück „Kasperl auf dem elektrischen Stuhl“) bis hin zu den späten „Fieberköpfen“, die um 2006 entstanden sind.

Das autonome und ausdruckstarke Werk von Franz Ringel ist gekennzeichnet durch seine expressive Formensprache und die Verwendung starker Farben. Ringel beschäftigt sich mit den Themen Mensch, Körper und Psyche und setzt sich intensiv mit der eigenen Person auseinander. Die manische Selbstreflexion ist bestimmend für sein Œuvre.

Der Außenseiter Franz Ringel schreibt 1969 über seine Kunst: „Mein Malvortrag ist nicht wüst. Ich male keine Männchen, die in unverschämter Weise ihre Notdurft verrichten. Ich mache keine WC-Kunst. Ich male keine ungesund verknoteten Dickdärme. Auch keine Zwitterwesen zwischen Zwerg und Astronaut. Beim Anblick meiner Bilder steigt einem nicht das Blut in den Kopf. Nie verwechsle ich Chemie und Biologie mit Absicht. Mit Schillers „Lied von der Glocke“ habe ich nichts zu tun. Bei mir gibt es keine Sexwelle aus der untersten Schublade. Auch keine Sexwelle aus der obersten Schublade. Ich male keinen Kopf im Suppenteller. Und schon gar nicht einen Schweinskopf. Ich male keinen Teufel an die Wand. Auch keine Wetterhexen oder Dämonen. Auch keinen Meinungsknopf unter der Gürtellinie. Ich male kein Blut. Ich male mit der Hand. Ich stelle mich nicht selber dar. Ich bin überhaupt ein anständiger Maler. Meine Bilder sind nicht unappetitlich. Meine Bilder sind keine Provokationen. Bei mir ist das Kunstwerk sicherlich das Produkt einer totalen Enthemmung.“

Erstveröffentlicht in: „Kunstkritiker stellen vor“. Otto Breicha (Wien): Wirklichkeiten. Zeppel-Sperl – Kocherscheidt – Herzig – Jungwirth – Ringel – Pongratz, Ausstellungskatalog Galerie im Taxis-Palais, Innsbruck, 1969, o. S.

Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Kunstmappe mit Texten von Franz Ringel und Alfred Schmeller.

 


Skulpturendepot

Eyewall   

So 30.4.–So 29.10.2023

Hannes Priesch, Malerei und Konzept, 2008-2010, 2023
Neil Benezra, Sound, 2023
Holly Faurot & Sarah H. Paulson, 2 Videos, 2010
Mirelle Borra, Videodokumentation der Performance, 2010

Die Eyewall (Augenwand) ist der gefährlichste und zerstörerischste Teil eines tropischen Wirbelsturms, jene Wand aus Winden, die unfassbare Energien erzeugt und für die zerstörerische Kraft eines Hurrikans oder Taifuns verantwortlich ist. Nicht von ungefähr wählt Hannes Priesch diesen Begriff als Titel einer Serie, für die der Künstler die E-Mail-Korrespondenzen zwischen staatlichen Krisenmanagern rund um den Hurrikan Katrina 2005 in den Fokus nimmt.

Die Arbeit besteht zum einen aus einer Vielzahl großformatiger Gemälde: Abschriften von E-Mails, die teils offiziellen, teils chatartig, lapidaren Charakter aufweisen. Von Hannes Priesch in ein Narrativ gebracht, zeichnen sie ein Sittenbild ganz besonderer Art, das beispiellose Ignoranz und Missmanagement zutage fördert. Priesch hatte 47 Dokumente aus mehr als tausend E-Mails, deren Veröffentlichung von amerikanischen Kongressabgeordneten erzwungen wurde, nach subjektiven Gesichtspunkten ausgewählt und mit einigem zeitlichen Abstand zur Hurrikan-Katastrophe – 2008 bis 2010 – in 49 Gemälde umgesetzt.

2010 fand im Brooklyner Atelier von Hannes Priesch eine Studio-Performance statt, eine Synthese von Bildern, Tanz und Sound, die sich in Form einer Gemeinschaftsarbeit von Priesch, den Performerinnen Holly Faurot und Sarah H. Paulson sowie dem Musiker und Komponisten Neil Benezra manifestierte. Die Vielschichtigkeit, die dieser Performance innewohnte, überträgt Hannes Priesch in seine Präsentation im Museum Liaunig, wo Eyewall erstmals installativ gezeigt werden kann. Neben drei Videos, die entweder die Studio-Performance von damals dokumentieren (aufgenommen von Mirelle Borra) oder Teil eben jener Performance waren (Faurot/Paulson), bestimmt ein intensiver, von Neil Benezra eigens für die Ausstellung geschaffener Sound die Atmosphäre der Installation wesentlich mit.

Dem Prinzip einer räumlichen Gesamtkonzeption folgend, das unsere Erfahrungen und Erinnerungen in der Rezeption von Kunst wesentlich beeinflusst, bereitet uns der Künstler auf diese Weise ein eindrucksvolles, immersives Kunsterlebnis. Am Boden platzierte Sandsäcke, die dem Publikum auch als Sitzgelegenheiten dienen können, zitieren die morbide Stimmung, die sich im Stadtleben von New Orleans nach dem Hurrikan breit machte. Gleichzeitig legt Hannes Priesch mit seiner Inszenierung auch 18 Jahre nach Katrina jene Aktualität dar, die angesichts einer sich zuspitzenden Situation durch Klimakrise und soziale Disparitäten besteht.

Katia Huemer


Hannes Priesch (*1954 bei Graz) studierte Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Max Weiler. Er war Mitbegründer des Wiener Künstlerkollektivs REM. 1990 erhielt er ein Artist-in-Residence-Stipendium für Chicago vom Ministerium für Unterricht, Kunst und Sport. Anschließend blieb er in Chicago, bevor er 1995 nach New York zog, wo er bis 2016 ein Atelier in Brooklyn unterhielt. Jetzt lebt er mit Herta Kramer-Priesch in Semriach bei Graz. In seiner künstlerischen Arbeit dominiert die kritischen Auseinandersetzung mit spezifischen, historischen und zeitgenössischen Texten.


Sonderausstellung

Zbyněk Sekal 100 

So 30.4.–So 23.7.2023 

Das Museum Liaunig widmet dem tschechischen Künstler Zbyněk Sekal (1923–1998) anlässlich seines hundertsten Geburtstages eine Retrospektive, die einen Einblick in sein umfangreiches Schaffen gibt.

Sein facettenreiches Œuvre ist nicht von seiner bewegten Lebensgeschichte zu trennen, die früh von Gewalt, Gefangenschaft und Isolation geprägt wurde: 1941 wird der politisch aktive 18-jährige verhaftet und im Prager Gefängnis Pankrác, später in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Mauthausen interniert. Nach dem Krieg studiert Sekal an der Hochschule für Angewandte Kunst in Prag bei František Tichý und Emil Filla. Die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 veranlasste Sekal zur Emigration. Ein DAAD-Stipendium führt den Künstler zuerst nach Berlin, im September 1970 kommt er nach Wien, wo er bis zu seinem Tod 1998 lebte und arbeitete.

In der von Miroslav Haľák, Johannes Haller und Peter Liaunig zusammengestellten Ausstellung werden Werke aus dem Nachlass des Künstlers und Arbeiten aus der Sammlung Liaunig gezeigt. Neben frühen Selbstportraits und Malereien sind Bronze- und Stein-Skulpturen ebenso zu sehen wie Papiercollagen, Materialbilder und Schreine (Schránky), käfigartige hölzerne Raum-Konstruktionen, in denen sich die Schrecken der Gefangenschaft, die Erfahrung von Einsamkeit und Unfreiheit, widerspiegeln.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen und reich bebilderten Katalog begleitet, der gemeinsam mit dem Kampa-Museum in Prag und dem Sprengel Museum in Hannover im Verlag für moderne Kunst Wien erscheint.